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Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung spricht im Interview über intelligente Fabriken und was er anders sieht als der Rivale Siemens.
Stefan Hartung gehört mit 52 Jahren zur jungen Riege in der Bosch-Spitze. Und er hat seit einem Jahr mit der Sparte Industrie 4.0 die Verantwortung für eines der heißesten Themen im Konzern. Der gebürtige Dortmunder ist unprätentiös. Wie alle Topmanager von Bosch führt er seine Gespräche in den schlichten Besprechungsräumen der Konzernzentrale.
Herr Hartung, ist die Unterstützung der Politik für die vierte industrielle Revolution groß genug?
Es könnte immer mehr sein, aber es hat sich schon viel getan bei der Vernetzung aller Beteiligten, also Politik, Unternehmen und Gesellschaft. Auch wird das Thema verstärkt in den Mittelstand getragen. Beim Netzausbau ist mehr Tempo vonnöten. Ein schnelles 5G-Netz ist ja Grundlage für Hochgeschwindigkeits-Datenverkehr. Die Vernetzung der Welt, auch der industriellen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Eines muss auch klar sein: Politik kann nur den Rahmen schaffen, digitalisieren und vernetzen müssen wir Unternehmen schon selbst.
Wo stehen die deutschen Unternehmen insgesamt bei Industrie 4.0. Verschlafen wir gerade eine Entwicklung?
Deutsche Unternehmen liegen weiter vorne als mancher denkt. Sie sind nicht nur Anwender, sondern oft auch Anbieter. Das ist ein entscheidender Vorteil. Es wird nicht schlecht ausgehen für Deutschland. Da bin ich guter Dinge.
Warum?
Weil die deutsche Wirtschaft vorausdenkt. Vernetzte Fertigungsstraßen behalten ihren Zustand permanent im Auge und warnen Experten vor Ausfällen. Roboter kollaborieren eng mit Mitarbeitern in Produktion und Logistik. Mitarbeiter steuern Abläufe mit Smartphone oder Tablet. Und unser Konzept der Fabrik der Zukunft sieht vor, dass sich der Maschinenpark flexibel immer wieder neu konfiguriert, je nach Auftragslage. All dies verbessert Produktivität, steigert Wettbewerbsfähigkeit, schafft Arbeitsplätze und sichert den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Und wie groß ist der Markt?
Allein für die Digitalisierung der Fertigung in Deutschland rechnet McKinsey mit einem Umsatzpotenzial von knapp neun Milliarden Euro bis 2020. Technischer Fortschritt erfolgt aber meistens schrittweise. So wird der Markt auch nicht auf einen Schlag erschlossen, sondern phasenweise. Letztlich setzen sich aber immer jene Systeme durch, die Qualität, Sicherheit und Produktivität erhöhen.
Bei der Vernetzung der Industrie ist das Tempo doch höher als je zuvor?
Es ist sportlich, aber grundsätzlich nicht anders als bei industriellen Revolutionen zuvor. Im Vergleich zu Konsumgütern gibt es einen wesentlichen Unterschied. In der Industriebranche finden Sie mehr Bestand vor, teils jahrzehntealte Anlagen. Neue Software muss sich dort meist in bestehende Strukturen einfügen. Tempo ist dann auch nicht alles. Verlässlichkeit ist in der Produktion ein zentrales Gut. Aber von technologisch anspruchsvollen Umbrüchen hat die deutsche Industrie immer profitiert, weil sie leistungsfähig und weltweit präsent ist.
Nur geht es diesmal darum, riesige Datenmengen zu beherrschen und Plattformen zu bauen, über die die Daten auch das Fabrikgelände verlassen und eben neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
Sicher, das größte Potenzial bieten langfristig nicht nur Hardware oder Gerätevernetzung, sondern intelligente Software – durch sie werden neue Anwendungen rund um das Internet der Dinge überhaupt erst möglich.
Wie kann Bosch da mithalten?
Bosch hat mehr als 25.000 Software-Experten. Um auch beim Software-Geschäft im Industriebereich weiter zu wachsen, hat Bosch strukturelle Weichen gestellt: Zum Jahresbeginn haben 500 Mitarbeiter der neuen Geschäftseinheit Bosch Connected Industry ihre Arbeit in Deutschland, Ungarn und China aufgenommen. Im neuen Bereich bündeln wir unsere Industrie 4.0-Aktivitäten, vor allem auch in den Bereichen Software und Services.
Und was ist ihr Credo?
Wir sind überzeugt von offenen Plattformen, Standards und Systemen, um Industrie-4.0-Lösungen umfassend einzusetzen. Deswegen setzen wir auf Partnerschaften, wie wir sie mit SAP, AWS oder dem International Internet Consortium eingegangen sind. Keiner im Wettbewerb hat so viel Wissen und so viele Softwarespezialisten, dass er alles alleine machen kann. Wir müssen zusammenarbeiten.
Aber Siemens mit der IoT-Plattform MindSphere und GE mit Predix und auch mit Abstrichen ABB sind doch gewaltige Gegner mit denen Sie sich anlegen. Denen traut die Fachwelt eher zu, einen Standard zu setzen.
Das konfiguriert sich doch erst alles. Und den einen Standard und die eine Plattform für alle wird es aus unserer Sicht nicht geben.
Das hört sich bei Siemens aber etwas anders an.
Wir sind davon überzeugt, dass im IoT nicht einzelne Player, sondern wirtschaftliche und technologische Ökosysteme Erfolg haben. IoT-Ökosysteme funktionieren wie Korallenriffe, wo mehrere Spezies im selben Wasser leben und dafür sorgen, dass das Riff intakt bleibt. Unsere Software-Lösungen bauen auf offenen Standards auf. Das gibt Nutzern Flexibilität und Kompatibilität. Sie finden unsere Lösungen übrigens auf unserer eigenen IoT Cloud wie auch auf Clouds anderer Anbieter. Wir gehen dorthin, wo Entwickler und Kunden sind.
Aber mit Robotik, lernenden Maschinen und Künstlicher Intelligenz werden die Datenmengen doch zunehmend schwerer beherrschbar?
Die Frage ist: Wie mache ich Big Data zu Smart Data? Dann wird es spannend. Dabei hilft uns zum Beispiel auch der besonnene Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Das sind aber jetzt eher leise Töne zum Thema künstliche Intelligenz aus ihrem Haus.
Künstliche Intelligenz ist enorm wichtig für uns und wir wollen eine führende Rolle einnehmen. Wir sind bereits Treiber der Entwicklung, auch im Forschungsverbund mit dem von Bosch mitgegründeten Cyber Valley in Baden-Württemberg. 2017 haben wir ein mit 100 Forschern stark wachsendes Zentrum für künstliche Intelligenz aufgebaut. Nur braucht der Vormarsch von Künstlicher Intelligenz Entwicklungszeit. Wir nehmen uns diese Zeit, damit Systeme funktionieren und möglichst sicher sind.
Ihr Chef Volkmar Denner hat gesagt, in wenigen Jahren werden alle elektronischen Bosch-Produkte nicht nur vernetzt sein, sondern entweder über KI verfügen oder mittels KI entwickelt werden.
Schon in zehn Jahren sind Bosch-Produkte ohne Künstliche Intelligenz kaum mehr denkbar. Einen weiteren Schub erlebt sie durch zuletzt enorm gestiegene Rechenleistung von Grafikkarten – bei niedrigeren Preisen. Im Übrigen wird es auch in Zeiten von Künstlicher Intelligenz Menschen in der Produktion geben.
Sind Sie da sicher?
Die Intelligenz der Zukunftsfabrik liegt vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter. Außerdem bin ich hemmungsloser Optimist. Deutschland ist mit neuer Technologie immer gut gefahren. Sie hat die Arbeitswelt verändert, produktiver gemacht und es sind immer auch Arbeitsplätze entstanden.
Und welchen Nutzen von der Industrietechnik haben die anderen Sparten von Bosch?
Es gibt schon heute einen regen Austausch zwischen unseren Geschäftsbereichen und unseren mehr als 270 Werken weltweit. Software und Künstliche Intelligenz sind spartenübergreifend. Sie vereinfachen und erhöhen bereits Synergien.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir forschen gerade an intelligenter Bilderkennung. Die kann man bei der Qualitätsüberwachung in der Produktion von Industrietechnik nutzen, aber auch in den Bereichen Mobilität, Energietechnik oder Gebrauchsgüter.
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